CVJM HB Dußlingen/Gomaringen – CVJM Walddorfhäslach 36:36 (16:19)
Im Derby gegen Dußlingen erkämpft sich WaHä ein Unentschieden was zum Meistertitel in der Landesliga reicht

Liebe WaHäer Fans und aktive Mitleser,

der Hönisch. Dieser mystische Berg ist Heimat der Sporthalle unserer langjährigen Rivalen aus Dußlingen. In grauer Vorzeit wurde auf diesem Flecken Erde der Grundstein für eine Sporthalle gelegt, die nicht nur auf Grund ihrer eigenen Thermodynamik viele Gesetze der theoretischen Physik zu widerlegen scheint. Unzählige Male schon machten wir uns von WaHä auf, diese Dußlinger Festung einzunehmen. Da das Team in den vergangenen Jahren bereits mit einer beachtlichen Verjüngungskur gestartet hat, können sich nur noch minimalste Bruchteile der Mannschaft daran erinnern, wie es sich anfühlt, hier zu gewinnen. Daher wog die Verantwortung schwer, den Fans endlich den langersehnten Titel genau an jenem Ort zu bescheren, der uns letztes Jahr ins tiefe Tal der Tränen stürzte. Aus Dramaturgiegründen sei noch gesagt, dass bereits ein Unentschieden zum Titel reichen würde. Um 18:45 Uhr startete schließlich der Showdown zweier Granden des EK-Handballs, der wie schon so oft in diesem Duell alles, was das Handballerherz begehrt, zu bieten hatte.

„Ich mach heute im Training langsam, weil ich musste den ganzen Tag Terassenplatten verlegen. Nicht, dass ich mich noch vor dem entscheidenden Spiel der Saison verletze“. Raphael Jarck, der dafür bekannt ist, in fast allen Situationen Ruhe und Zuversicht vom Spielfeldrand auszustrahlen, befolgte seinen eigenen Rat leider nicht und zog am Freitagabend beim Abschlusstraining nochmal voll durch. Die Folge war ein lädiertes Sprunggelenk. Schön gemacht. Auch Nils Wiedemann, der zum Zeitvertreib gerne exotische (= nicht schwäbische) kulinarische Highlights für seinen Freundeskreis kocht, war angeschlagen. Auch hier machte das Sprunggelenk Probleme, das er sich bereits vor Wochen bei raubeiniger Abwehrarbeit verschlissen hatte. Zu guter Letzt waren die Routiniers Max Alter und Jakob Dienes nicht bei 100%. Ersterer war unter Woche mal wieder auf der Rennstrecke unterwegs und verpasste regenerative Einheiten auf dem heimischen Hometrainer durch rasante Jagden auf Rundenbestzeiten. Letzterer hingegen trainierte leider zu intensiv auf die anstehende Dartssaison und konnte sich deshalb nicht mehr auf seine Schulter verlassen. Sachen gibt’s.

Glücklicherweise (wie bereits mehrfach betonend erwähnt worden ist) verfügen wir dieses Jahr über einen enormell breiten Kader. So sind wieder mal andere in die Bresche gesprungen. Zum einen Kreisläufer Lukas Lachenmann, der aus Rücksicht auf seine Teamkameraden bereits mehrere Modeldeals abgelehnt hat, damit der Fokus auf dem Team bleibt. Zum anderen Rückraumspieler Tom Gaiser, der die Bowlingschuhe an den Nagel gehängt hat und lieber Tore aus dem Rückraum schießt. Allen voran aber war es Aaron Neuscheler, der Verantwortung übernahm. Unnachgiebig wie Haustürvertreter attackierte er die Abwehr, und warf alles in die Waagschale. Leistungsgerecht standen am Ende 15 Tore bei ihm zu Buche. Grob überschlagen dürfte das in Zeiten der Spielberichtsdokumentationen in den vergangenen 13 Jahren Rekord sein. Wahnsinn. „Ich mach mein Ding, egal was die anderen sagen“, will sich der sympathische Blondschopf und Udo Lindenberg Fan zitieren lassen. Zur Halbzeit war Coach Edgar Drechsel-Grau hochzufrieden. Gegenüber der überragenden Choreo der Walddorfer Fans stand ein 19:16 für Walddorf auf der Anzeigetafel.

Danach setzte sich der WaHäer Höhenflug fort. Beton in der Abwehr gepaart mit beherztem Offensivspiel ließen den Vorsprung auf 7 Tore anwachsen. So mancher Fan auf der Tribüne träumte bereits vom Derbysieg mit Titel. Was kann es Schöneres geben? Dußlingen hatte aber noch ein entscheidendes Wörtchen mitzureden und stellte etwas unorthodox ab circa Spielminute 40 auf eine offensive Abwehr um. Dieses taktische Mittel wird für gewöhnlich erst in den allerletzten Minuten des Spiels genutzt, da es bisweilen anfällig für einfache Gegentore ist. WaHä kam aber mit diesem Kniff nicht zurecht und leistete sich viele viele Ballverluste. Auch ein Time-Out von Coach Edgar Drechsel-Grau, der „Bewegung, Bewegung, Bewegung“ forderte, fruchtete nicht und das Drama nahm seinen Lauf. Von 30:23 auf 31:31. Das Spiel war wieder offen und spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Umschreibung „epische Schlacht“ auf dieses Duell absolut zutreffend. Beide Teams schenkten sich nichts und die Halle war wie elektrisiert. Viele WaHäer Fans verloren bereits den Glauben und mussten sich mehrfach setzen, um nicht zu kollabieren. Denn Dußlingen schaffte eine Minute vor Schluss den Führungstreffer.

Alles aus mit dem Traum von der Meisterschaft? Die harte Arbeit über eine ganze Saison wieder nicht belohnt? Sollten wir wieder so tragisch scheitern? „Brudi, ne lass mal“, dachte sich Aaron Neuscheler. Der mit MVP*-Rufen gewürdigte Mittespieler nahm sich die Pille und erzielte 20 Sekunden vor Schluss kompromisslos den Ausgleich. Jubel im WaHäer Block. Jetzt hieß es nur noch, hinten das Ding irgendwie verteidigen. Dußlingen spielte den Ball nochmal vor, der großgewachsene Rückraumrechts hatte nochmal den Abschluss und die Halle hielt nochmal kollektiv den Atem an.. aber nein, der Ball flog vorbei und die erlösende Sirene ertönte. Damit brachen alle Dämme und die Spieler stürmten den Platz. Meister auf dem Hönisch! Die Emotionen bahnten sich ihren Weg und die Fans lagen sich mal wieder in den Armen.

Dußlingen zeigte sich als sehr fairer Verlierer und direkt im Anschluss gab es die Siegerehrung vor unzähligen Heim- und Auswärtsfans. Nach diversen Sprechgesängen, die im Verbund mit der wieder einmal überragend agierenden Szene W angestimmt wurden, ging es für uns auf die Tribüne und zur sachlichen Analyse des Spiels über und schließlich in die Kabine. Dort durfte nochmal jeder von seinen persönlichen Highlights des Spiels erzählen und dann fuhren wir Richtung Heimat WaHä mit dem Pokal im Gepäck. What a feeling..

Am nächsten Samstag, den 10. Mai, spielen wir zum Saisonabschluss gegen Enzweihingen auswärts. Wir wollen unbesiegt bleiben, bis dahin.

*MVP steht für Most Valuable Player (dt.= wertvollster Spieler), was aus dem US-Sport nach dem Griddy (wir berichteten) nach WaHä übergeschwappt ist.
Es spielten: Clemens Kern-Tilp, Jonathan Knauf (Tor), Philipp Komenda (4), Max Alter (1), Nils Wiedemann (2), Aaron Neuscheler (15), Chrisi Griesinger (1), Tom Gaiser (7), Raphael Jarck (1), Silas Neuscheler, Manuel Schaal (1), Jan Lerner, Daniel Neuscheler, Lukas Lachenmann (4),
Coach: Edgar Drechsel-Grau unterstützt von Jakob Dienes und Ruben Wandel (zurück vom WaWe)
Es fehlten: Noah Neuscheler